Streetfood erobert deutsche Städte. Lieferdienste bringen Zutaten, Rezepte und Premium-Menüs nach Hause. Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie verschmelzen. Kaum eine Branche verändert sich derzeit so stark, wie die der Lebensmittel. In den letzten Monaten sind drei relevante Publikationen zum Ernährungsverhalten der Deutschen erschienen, die wir uns genauer angeschaut haben. Der Food Report 2016 von Hannie Rützler, der BMEL-Ernährungsreport 2016 und die Nestlé Studie 2016.
Wir möchten Ihnen 5 Kernentwicklungen hinsichtlich des Einkaufs- und Essverhaltens der Deutschen vorstellen, die sich in den genannten Berichten wiederfinden.
Einkaufen wird zum (digitalen) Erlebnis
Die primäre Bezugsquelle für Lebensmittel ist nach wie vor der Supermarkt, gefolgt vom Discounter. Bisher werden etwa 1 – 5 % des Lebensmittelumsatzes online generiert. Dies ist im Vergleich zur Reisebranche (43%) noch sehr gering ausgeprägt. Jedoch haben ein Drittel der Befragten schon einmal Lebensmittel online bestellt. Die Prioritäten ändern sich mit dem Alter. Die jüngere Generation achtet vor allem auf den Preis und die Werbung. Mit zunehmendem Alter gewinnen die regionale Herkunft und Produktinformationen an Bedeutung. Die Orientierung an Marken (38%) und Siegeln (33%) ist für alle Altersgruppen gleichwichtig. Der Konsument vertraut auf bekannte Marken und sucht diese öfter auch im Discounter. Um den Konsumenten in den stationären Einzelhandel zu bewegen, muss sich der Handel hinsichtlich Service und Raumgestaltung gegenüber den Online-Anbietern absetzen. Konzepte wie Eataly aus Italien oder Whole Foods aus Amerika laden zum Verweilen ein und machen das Einkaufen zum Erlebnis. Dort kann man die Zubereitung der frischen Pizza im Laden beobachten oder es steigt einem der Duft des frisch gerösteten Kaffees in die Nase. Offline wird mit allen Sinnen eingekauft. Der POS (Point of Sale) wird zum POE (Point of Experience). Ob Nudelmanufaktur, Trüffel-Humidor oder Käse-Reifekammer: Der LEH der Zukunft wird zum Tempel der Genüsse. Um added values der digitalen Welt auch offline dem Kunden verfügbar zu machen, verschmelzen innovative Technologien mit der Romantik von Wochenmärkten. Das war auf der diesjährigen Expo zu sehen, auf der der Supermarkt der Zukunft vorgestellt wurde. Dort geben digitale Displays Auskunft über Herkunft, Inhaltsstoffe und Verwendungsmöglichkeiten der Produkte. Self-Service Terminals wie bei Ikea übergeben das Kassieren an den Kunden.
Gegessen wird immer und überall
Im urbanen Alltag gibt es kaum einen Ort, an dem wir nicht eine Bäckerei, einen Supermarkt oder ein Schnell-Restaurant finden. Das klassische 3-Mahlzeiten-Muster wird aufgebrochen und durch ein Snack-Verhalten ersetzt. Gegessen wir immer häufiger außer Haus. Insbesondere Frühstück und Mittagessen werden unterwegs eingenommen. Vom Coffee-To-Go über das Bäcker-Brötchen zum Smoothie, Hauptsache es ist schnell verfügbar. Während früher Zuhause oder im Restaurant gegessen wurde, werden immer mehr Mahlzeiten in den Lebensräumen dazwischen eingenommen. Sei es im Büro, im Co-Working-Space, im Kino oder unterwegs. Das Abendessen wird noch häufig zuhause gegessen. Immerhin 41% der Deutschen kochen fast täglich. Für alle anderen gibt es eine unendliche Auswahl an Lieferservice-Gastronomen und zunehmend auch hochwertige Gerichte, die über Liefer-Dienstleister zugestellt werden.
„Frei von“-Produkte erobern den Markt
Die Entwicklung geht hin zu mehr pflanzlichen Lebensmitteln. Die Zahl der Veganer und Vegetarier bewegt sich zwischen 5 und 10%. Eine größer werdende Gruppe der Flexitarier (30 %) ernährt sich überwiegend vegetarisch und konsumiert nur gelegentlich Fleisch. Dabei stehen neben Obst, Gemüse und Getreideprodukten immer öfter auch sogenannte Fleischalternativen auf dem Speiseplan. Der Umsatz dieser Produkte ist im letzten Jahr um 39% auf 488. Mio. € gestiegen. Auch glutenfreie Produkte haben einen signifikanten Zuwachs um 37% auf 117 Mio. € Umsatz zu verzeichnen. Immer mehr aufgeklärte Konsumenten fragen nach gluten-, laktose-, Gentechnik-, Zusatzstoff- oder zuckerfreien Angeboten sowohl im Einzelhandel als auch in der Gastronomie. Die Nachfrage nach natürlichen und gesunden Lebensmitteln spiegelt einen neuen Lebensstil wieder.
Essen wird zum sozialen Event
Das Phänomen des Social Eating hat zwei Dimensionen. Zum einen wird Essen als gemeinschaftliches Erlebnis mit Freunden, Kollegen oder der Familie zelebriert. Dabei werden Gerichte im Restaurant oder Zuhause gern auf großen Tellern oder in kleinen Schüsseln angerichtet. Zum anderen nimmt die Zahl der Alleinesser zu, die ihr Essen zumindest digital mit anderen über Social-Media-Kanäle teilen. Insbesondere Instagram hat hier Facebook als soziales Medium der Foodies abgelöst. Diese Netzwerke eröffnen dem Einzelhandel und Gastronomen die Möglichkeit, über Gewinnspiele, exklusive Inhalte und Hintergrundinformationen Kontakt zu ihren Zielgruppen aufzubauen und ehrliches Feedback zu erhalten. DM Drogerie Markt zählt mit 2 Mio. Followern auf Facebook und 0,5 Mio. Followern auf Instagram zu den Social-Leadern im Lebensmitteleinzelhandel. McDonalds ist mit 61 Mio. Followern auf Facebook die Nummer eins im Gastronomie-Sektor.
Bedarf an nachhaltigen Lebensmitteln wächst
In einem Zeitalter des bewussten Konsumenten wird nach mehr Transparenz verlangt. Wie und wo werden die Lebensmittel angebaut? Wie werden sie transportiert und verarbeitet? Wie werden sie zubereitet? Auf all diese Fragen muss der Handel und die Gastronomie Antworten bereithalten. 88% der Konsumenten wünschen sich eine artgerechte Haltung von Nutztieren. Eine bessere Bezahlung für Bauern wünschen sich 86% der Befragten und 70% wünschen sich eine bessere Umweltverträglichkeit. Immerhin 45% der Befragten sind bereit, mehr Geld für ein Produkt aus artgerechter Tierhaltung zu bezahlen. Weniger Verpackungsmüll fordern 67% der Befragten. Gastronomen und Einzelhändler müssen die gewünschten Informationen in Form von Produkt- und Lieferantendaten vorhalten und aktualisieren.
Abschließend lässt sich feststellen, dass der digitale Konsument aufgeklärt, mobil und jederzeit online is(s)t. Er konsumiert bewusst und legt größeren Wert auf nachhaltige Erzeugung und Verarbeitung der Produkte. Er tritt über soziale Kanäle in direktem Kontakt mit der Lebensmittelindustrie und kann so indirekten Einfluss auf die Produktentwicklung nehmen. Für Unternehmen, die digitale Medien und neue Technologien für sich nutzen, bieten diese enorme Chancen. Sie müssen jedoch ihr Geschäfts-, Organisations- und Technologiemodell integrieren und auf den digitalen Konsumenten ausrichten.
Welche Entwicklungen beobachten Sie in Ihrer Branche, vor welchen Herausforderungen stehen Sie? Wir freuen uns auf Ihr Feedback.